Lern- und Gedenkort für die Opfer der NS-"Euthanasie"

Stand: 07.02.2024

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden aus der Heil- und Pflegeanstalt 905 Patient*innen in den Tötungsanstalten Hartheim/Linz und Pirna-Sonnenstein ermordet. Darüber hinaus starben zwischen 1939 und 1945 etwa 1906 Patient*innen, davon mindestens 700 an "Hungerkost" und struktureller Vernachlässigung.

Aktueller Veranstaltungshinweis

Das Denkmal der Grauen Busse

Von Februar bis voraussichtlich Ende 2024 erinnert das Denkmal der Grauen Busse auf dem Hugenottenplatz an die
Opfer der NS-Krankenmorde aus der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt (HuPflA).
Hier: Video mit Oberbürgermeister Florian Janik vom 6. Februar

Die Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz haben dieses Mahnmal 2006 für das Zentrum für Psychiatrie Die Weissenau bei Ravensburg geschaffen. Ein in Originalgröße in Beton gegossener Bus des gleichen Typs, wie er in den Jahren 1940 und 1941 von den Pflegeanstalten zu den Tötungsanstalten fuhr, erinnert an den Massenmord. Dem Denkmalbus eingeschrieben ist das Zitat: „Wohin bringt ihr uns?”, die überlieferte Frage eines Patienten. Mit dieser Arbeit wird nicht nur den Opfern des „Euthanasie“-Mordes ein Denkmal gesetzt; es werden auch Tat und Täter reflektiert, indem die grauen Busse, die Werkzeuge der Täter, als Transportmittel der Erinnerung genutzt werden. Der 70 Tonnen schwere Beton-Bus folgt dem Verwaltungsweg der „Euthanasie”- Morde, markiert Orte der Opfer und der Täter, und verlässt sie wieder.
Der Graue Bus verbleibt so lange an seinem jeweiligen Aufstellungsort, wie Initiativen und Gemeinden dies
untereinander vereinbaren. Entscheidend ist, dass das Denkmal in Bewegung bleibt.

Bereits im September 1940 wurden 21 jüdische Patientinnen und Patienten der „HuPflA“ nach Eglfing-Haar gebracht und von dort aus in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz deportiert. Zwischen November 1940 und Juni 1941 fanden sieben weitere Transporte aus der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen in die Tötungsanstalten Pirna-Sonnenstein und Hartheim statt. Die verantwortlichen Funktionäre und Ärzte ließen insgesamt 905 Patientinnen und Patienten deportieren und dort mit Gas ermorden. Viele von ihnen waren zuvor in Sammeltransporten nach Erlangen gebracht worden. Doch nicht nur im Rahmen der „Aktion T4“ wurden Menschen umgebracht. Aktuellen Forschungsergebnisse zufolge starben zwischen September 1939 und Dezember 1945 von insgesamt 1.906 Patientinnen und Patienten mindestens 700 an Unterernährung durch „Hungerkost“ und struktureller Vernachlässigung. Die temporäre Aufstellung des Denkmals der Grauen Busse ist Teil der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Erlanger Krankenmorde. Kern dieser Bemühungen ist die Schaffung eines „Erinnerungs- und Zukunftsortes“. An diesem Ort soll der Opfer gedacht und an die Verbrechen erinnert werden. Aber er soll ebenso mahnen, den Wert und die Würde des menschlichen Lebens auch in Zukunft zu wahren.

Die Kunstaktion in Erlangen wird von Veranstaltungen begleitet, die das Thema NS-„Euthanasie“ in den Fokus rücken und über die weitere Entwicklung des Gedenkorts in Erlangen berichten. Dazu gehört auch eine von den Künstlern konzipierte Wanderausstellung, die über den historischen Hintergrund und die verschiedenen Standorte informiert.

Gedenken gestalten

Im Jahr 2015 haben alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Gruppierungen die Schaffung eines „Ortes der Erinnerung“ an diese Menschen beantragt und die Verwaltung gebeten, einen Dialog in Gang zu bringen (Fraktionsantrag 001/2015). 


Der Beirat (2017-2020)

Im Februar 2017 konstituierte sich ein Beirat für die Errichtung einer Gedenkstätte der „Euthanasie“-Opfer in der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen, dem Vertreter der Universität, des Universitätsklinikums, des Bezirks Mittelfranken, des Bezirksklinikums und der Stadt Erlangen angehörten. Vertreten waren auch das Max-Planck-Institut, die jüdische Gemeinde und Privatpersonen. An den Sitzungen des Beirates nahmen auch der Oberbürgermeister (Vorsitz), die Referentin für Bildung, Kultur und Jugend sowie der Referent für Planen und Bauen teil. Die Geschäftsführung lag beim Stadtarchiv.

Es handelte sich um ein beratendes Gremium, das keine rechtsbindenden Entscheidungen traf, sondern Empfehlungen aussprach. Entscheidungsträger waren je nach Zuständigkeit der Stadtrat oder die für die Bebauung des Geländes der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt zuständigen Institutionen. Der Beirat bereitete erste Schritte für die Schaffung eines Lern- und Gedenkortes vor.


Erstellung eines Rahmenkonzeptes (2019-2020)

Im Juli 2019 wurden der renommierte Gedenkstättenexperte Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Julius Scharnetzky mit der Erstellung eines Rahmenkonzepts für einen künftigen Lern- und Gedenkort beauftragt. Am 30. Juni 2020 wurde das Rahmenkonzept mit zehn konkreten Handlungsempfehlungen vorgestellt. Es wird den Ausgangspunkt für die weitere Konzeption des Lern- und Gedenkorts bilden.


Die nächsten Schritte

2021 wurde „Forum Erinnerungs- und Zukunftsort Heil- und Pflegeanstalt Erlangen“ eingerichtet, dass sich aus den bisher im Projekt Beteiligten, Interessenvertretern, Bürgerinnen und Bürgern zusammensetzt und bei den wichtigen Meilensteinen beratend eingebunden wird. Das Forum tagt öffentlich.

2022 haben die Stadt Erlangen, der Bezirk Mittelfranken und der Bezirk Oberfranken einen interdisziplinären, städtebaulichen und freiraumplanerischen Ideenwettbewerb ausgelobt. Aufgabenstellung des Ideenwettbewerbs war es, einen Rahmen für einen künftigen Erinnerungs- und Zukunftsort Heil- und Pflegeanstalt Erlangen vorzuschlagen. Die Teilnehmenden sollten aufzeigen, wie an dem historischen Ort der Heil- und Pflegeanstalt und im weiteren Stadtgebiet Erlangens über die Geschehnisse aufgeklärt und die Geschichte in geeigneter Weise sichtbar gemacht werden kann.

In das Verfahren und das Preisgericht waren eingebunden:

  • Bezirk Mittelfranken
  • Bezirk Oberfranken
  • Universitätsklinikum Erlangen
  • Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Staatliches Bauamt Erlangen/Nürnberg
  • Forum Erinnerungs- und Zukunftsort Heil- und Pflegeanstalt Erlangen.

Das Preisgericht zum Ideenwettbewerb hat im Juli 2023 drei Preise und zwei Anerkennungen vergeben.  Weitere Informationen zum Wettbewerb finden Sie unter https://erlangen.de/aktuelles/zukunftsort-heil-und-pflegeanstalt

Sollten Sie Fragen oder Anregungen zum Konzept für den Erinnerung- und Zukunftsort haben, wenden Sie sich bitte an: gedenken.gestalten@stadt.erlangen.de

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